MIT DEM RAD ZUM KALTERER SEE
AUF DEN SPUREN VON JOHANN WOLFGANG VON GOETHE – DEM DEUTSCHEN DICHTERFÜRST
„Wenn mein Entzücken hierüber jemand vernähme, der im Süden wohnt, von Süden herkäme, er würde mich für sehr kindisch halten“, räumt Johann Wolfgang von Goethe in seiner „Italienischen Reise“ ein, nachdem er begeistert von seinem Aufenthalt in Bozen und der Kutschenfahrt durch das grüne Etschtal berichtet hat. Auf einer Radtour von Südtirols Hauptstadt zum Kalterer See künnen wir uns vom mediterranen Flair dieses Landstrichs überzeugen, der seit Jahrhunderten die Reisenden in den Bann zieht.
„Bei heiterem Sonnenschein kam ich nach Bozen“, schreibt Goethe auf seiner Reise nach Italien, als er vom Brenner kommend am 11. September 1786 in der Stadt Station macht. „Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Kürben, über vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirschen nebeneinander lagen, daß sie sich nicht drücken sollten. Ebenso die Birnen.“ Den farbenprächtigen und belebten Obstmarkt gibt es noch heute. In Goethes begeistertem Reisebericht erkennt man auch das Unterland leicht wieder: „Von Bozen nach Trient geht es neun Meilen weg in einem fruchtbaren und fruchtbareren Tale hin. Alles, was auf den hüheren Gebirgen zu vegetieren versucht, hat hier schon mehr Kraft und Leben, die Sonne scheint heiß, und man glaubt wieder einmal an einen Gott.“ Der für das Überetsch und Unterland typische Obstund Weinbau hat damals bereits Fuß gefasst: „Auf dem Lande, nah am Fluß, die Hügel hinauf ist alles so enge anund ineinander gepflanzt, daß man denkt, es müsse eins das andere ersticken. – Weingeländer, Mais, Maulbeerbäume, Äpfel, Birnen, Quitten und Nüsse. Über Mauern wirft sich der Attich lebhaft herüber. Efeu wächst in starken Stämmen die Felsen hinauf und verbreitet sich weit über sie; die Eidechsen schlüpfen durch die Zwischenräume, auch alles, was hin und her wandelt, erinnert an die liebsten Kunstbilder. Auch der Abend ist vollkommen milde wie der Tag.“ Im Unterschied zu Goethe begeben wir uns nicht mit einem Pferdekutschengespann, sondern mit einem Drahtesel auf die Reise. Die Radtour ist zwar etwas lang, weist aber nur geringe Steigungen auf und verläuft praktisch ausschließlich auf Radwegen und Nebenstraßen. Unsere Tour beginnt an der Talferbrücke in der Innenstadt von Bozen. Von dort geht es auf dem Radweg den Talferbach entlang, nach 800 Meter biegen wir rechts ab und nehmen den Radweg Richtung Trient. Von nun an rollen wir für knapp 20 km flussabwärts, zuerst entlang dem Eisack, dann der Etsch, mal am rechten und mal am linken Ufer, immer den Schildern des Radwegs folgend. Nach der Eisenbahnunterführung bei Auer biegen wir rechts auf die Straße und folgen den Wegweisern Richtung Kaltern. Nachdem wir die Etsch über- und die Brennerautobahn unterquert haben, biegen wir rechts Richtung „Klughammer – Radroute Kaltern“ ab. Zuerst umfahren wir ein Militärgelände, dann kommen wir ins Biotop des Kalterer Sees. Der See präsentiert sich hier von seiner schünsten Seite. Im Westen ragen der Mendelkamm und die Roenspitze steil empor. Am Fuße der Felswand liegen Kaltern, Altenburg und Tramin. Wir folgen weiter der Radroute Kaltern, die uns durch ein ruhiges, schmales Tal mit kleinen Apfelplantagen führt. In Kaltern – bei der historischen Dampflok – stoßen wir schließlich auf den Radweg nach Bozen, der auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse verläuft. Wie einst die Züge durchfahren wir zwei Tunnels. Nachdem wir die Etsch wieder überquert haben, geht es ein kurzes Stück flussabwärts, bevor wir wieder auf den Eisack treffen und auf dem Radweg in die Stadt zurückkehren.
Johann Wolfgang von Goethe
Der wohl grüßte deutsche Dichter aller Zeiten kommt am 28. August 1749 in Frankfurt am Main zur Welt. Sein Vater ist der Kaiserliche Rat, Gemälde- und Naturaliensammler Johann Caspar Goethe, seine Mutter die Bürgermeistertochter Catharina Elisabeth Textor. „Vom Vater hab‘ ich die Statur, des Lebens ernstes Führen. Vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zu fabulieren“, schreibt der Sohn später. Goethe studiert Jura in Leipzig, auch wenn ihn die Literatur und Kunst mehr interessieren. Wegen einer schweren Krankheit unterbricht er das Studium und setzt es 1771 in Strassburg fort. Parallel zu seiner künstlerischen Laufbahn verläuft die politische. 1775 folgt er einer Einladung von Herzog Karl August an den Hof von Weimar und bleibt dort für 57 Jahre. Von 1786 bis 1788 weilt Goethe unter dem Namen Maler Müller bzw. Filippo Miller in Italien. Während dieser Reise entsteht Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins berühmtes Gemälde, das Goethe als Reisenden am Land bei Rom darstellt. 1790 folgt die zweite „Italienische Reise“. Wie er selbst sagt, fühlt er sich in Italien das erste und einzige Mal zu Hause. Auf seinen Italienreisen macht er u. a. am Brenner und in Bozen Station. Mit seinen Gedichten, Dramen und Prosawerken besetzt Goethe einen unverrückbaren Platz in der Weltliteratur. Seine bekanntesten Werke sind neben dem „Faust“ auch „Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre“ sowie „Die Wahlverwandtschaften“, „Die Leiden des jungen Werther“ und Theaterstücke wie „Tarquato Tasso“. In seine Schaffensperiode fallen die Literaturepochen Sturm und Drang, die Klassik und die Romantik. Goethe ist überdies Theaterleiter und beschäftigt sich mit Naturwissenschaften, der Mystik und der Alchemie. Er stirbt am 22. März 1832 in Weimar an einer Lungenentzündung.
Infos in Kürze
- Etwas lange, aber unschwierige Rad-Rundtour
- 3/½ Stunden für 47 km, 200 Hühenmeter
- Startpunkt ist im Zentrum Bozens an der Talferbrücke.
- Zur Brücke: Idealer Treffpunkt für Radfahrer bei der Etschbrücke in Pfatten, Mo Ruhetag, Tel. 0471 951677
- Klughammer: Gasthof mit schünem Seebad am Ostufer des Kalterer Sees, von April bis Allerheiligen geüffnet, Mo Ruhetag, Tel. 0471 960159
(aus „Spurensuche in Südtirol„, Folio Verlag)